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Geschichte

Geschichte des Instituts für Biochemie und Molekularbiologie

von Karl Decker (2002)

Kurze Chronologie

1835   Erstmals Vorlesung  „Physiologische Chemie“ durch Carl Fromherz
1854   Ordinariat für Chemie in der Medizinischen Fakultät für Lambert v. Babo; ab 1882 Räume im Chemischen Laboratorium (Ecke Albert- und Katharinen-Straße)
1880   Lehrauftrag „Physiologische Chemie“ durch die Medizinische Fakultät an PD Latschenberger
1883   Ordinarius für Chemie in der Medizinischen Fakultät, Eugen Baumann
1896   Ordinarius für Chemie in der Medizinischen Fakultät, Heinrich Kiliani
1915   Die „Physiologische Chemie“ erhält eigene Räume im alten Botanischen Institut (im Bereich der heutigen Physik/Pharmakologie)
1920   Errichtung des ordentlichen Lehrstuhls „Physiologische Chemie“ für Franz Knoop
1928   Knoop verlässt Freiburg, Josef Kampfhammer wird sein Nachfolger
1941   Das Physiologisch-Chemische Institut wird für abbruchreif erklärt
1944   Zerstörung des Physiologisch-Chemischen Instituts durch Bombenangriff
1945   Wiederaufnahme des Vorlesungsbetriebs in Räumen der Hautklinik und des Tierhygiene-Instituts
1956   Kapfhammer wird emeritiert, Helmut Holzer als kommissarischer Lehrstuhlvertreter geholt; Unterbringung des „Instituts“ in Räumen der Chirurgischen Klinik
1957   Helmut Holzer wird Ordinarius und Direktor des Instituts
1958   Einzug in das neue Physiologisch-Chemische Institut (Hermann-Herder-Straße 7)
1963   Umbenennung des Instituts in „Biochemisches Institut“
1968   Errichtung eines zweiten Lehrstuhls für Biochemie für Karl Decker; das Institut erhält eine Departmentstruktur
1969   Gründung des ersten SFB in Freiburg: „Molekulare Grundlagen der Entwicklung“ [„Molgrudent“] unter Beteiligung biochemischer Arbeitsgruppen
1989   Emeritierung von Helmut Holzer
1991   Bernd Wiederanders (Halle/Saale) wird kommissarischer Lehrstuhlvertreter
1992   Nikolaus Pfanner (München) wird Nachfolger Holzers
1992   Einweihung des Lehrgebäudes
1993   Emeritierung von Karl Decker
Patrick Baeuerle (München) wird Nachfolger Deckers
1995   Umbenennung des Instituts in „Institut für Biochemie und Molekularbiologie“
1996   Baeuerle verlässt Freiburg in Richtung San Francisco
Karl Decker übernimmt die kommissarische Leitung des Lehrstuhls

1997

  Bernd Bukau (Heidelberg) wird Nachfolger Baeuerles
2001   Grundsteinlegung für das neue „Zentrum für Biochemie und Molekulare Zellforschung (ZBMZ)“ (Stefan-Meier-Str. 17)
2002   Bukau verlässt Freiburg in Richtung Heidelberg; Neustrukturierung des Instituts

 

Die Entwicklung bis 1920

Zur Zeit, als Freiburg aus dem Habsburgerreich an das Großherzogtum Baden fiel, umfasste die  Medizinische Fakultät 5 planmäßige Professoren. Einer davon war Franz Ignaz Menzinger (1745-1830), der von 1775 - 1826 ordentlicher Professor für Chemie und Botanik war. Er durfte 1780 ein Chemisches Laboratorium in der Alten Universität am Franziskanerplatz einrichten. Er verselbständigte das Fach Pharmazeutische Chemie im Lehrplan der Medizinischen Fakultät.

Sein Nachfolger im chemischen Unterricht war Franz von Ittner (1727-1821), der der Philosophischen Fakultät angehörte. Nach ihm gab es in Freiburg zwei Ordinarien für Chemie, von denen der eine der Philosophischen, der andere der Medizinischen Fakultät angehörte. Es nimmt nicht wunder, dass diese Konstruktion für Jahrzehnte Anlass zu Verstimmung und Streit war.

1828 wurde in der Medizinischen Fakultät Carl Fromherz (1797-1854) Ordinarius für Chemie. Er hatte bereits 1822 als Privatdozent Vorträge über „Tierische Chemie“ in Freiburg abgehalten. 1835 führte er eine Vorlesung „Physiologische Chemie“ ein und hielt ein Praktikum (zusammen mit seinem Assistenten L. von Babo (1818-1899)) mit chemisch-physiologischen und chemisch-pathologischen Untersuchungen ab. Mit Fromherz begann in Freiburg der Einzug der Naturwissenschaften in die Medizin. Er war Dekan der Medizinischen Fakultät 1832-33.

Lambert v. Babo wurde 1854 Nachfolger von Fromherz und 1859 Ordinarius auf dem Lehrstuhl für Chemie in der Medizinischen Fakultät, den er bis 1883 inne hatte.  v. Babo war Schüler  Justus von Liebigs und ist heute noch bekannt durch den „Babo-Trichter“ zum Erhitzen von Glaskolben. Sein Mitarbeiter Adolf Claus wurde Ordinarius für Chemie an der Philosophischen Fakultät. Beide erhielten 1882 ein Institut etwa an der Stelle, an der das heutige Chemiehochhaus (Ecke Albert- und Katharinen-Straße) steht.

Es war jedoch der Physiologe Johann Latschenberger (1847-1905), der 1874/75 als Privatdozent Vorlesungen über Physiologische Chemie anbot und damit auf Anregungen Liebigs reagierte, der diese Richtung als für die Physiologie unverzichtbar bezeichnet hatte. 1880 erhielt er einen Lehrauftrag für Physiologische Chemie (und Toxikologie). Die Medizinische Fakultät lehnte aber seine Verselbständigung als Ordinarius ab, da man für die Lehre keine „reinen Chemiker“ brauche. Latschenberger verließ daraufhin 1883 die Fakultät . Es sollte weitere 40 Jahre dauern, bis in Freiburg  ein Lehrstuhl für Physiologische Chemie eingerichtet wurde.

Nachfolger v. Babos wurde Eugen  Baumann (1846-1896), ein Schüler Hoppe-Seylers. Er hatte als Ordinarius den Lehrstuhl für Medizinische Chemie von 1883 bis zu seinem Tode (1896) inne. 1890-91 war er Dekan der Medizinischen Fakultät. Er erwarb sich großes Ansehen durch eine Vielzahl origineller Arbeiten. Dazu gehörten  biologisch interessante schwefelhaltige Verbindungen, z.B. Cystin und Thioketone; auf ihn geht die Bezeichnung „Merkaptal“ zurück. Er entdeckte die konjugierten Schwefelsäuren im Urin und das Diethylsulfondimethylmethan, das bald danach als das Schlafmittel „Sulfonal“ klinisch verwendet wurde. Ferner entdeckte er, zusammen mit seinem Schüler Wolkow, im Urin eines Alkaptonurikers die Homogentisinsäure und brachte sie mit dem Stoffwechsel des Tyrosins in Verbindung. Auf Baumann geht die Verwendung des Benzoylchlorids zur Charakterisierung von Amino- und Hydroxylgruppen zurück; jedem Chemiker ist die „Schotten-Baumann“-Reaktion geläufig. Baumanns Untersuchungen über das organisch-gebundene Jod der Schilddrüse, dem er den Namen „Jodothysin“ gab, setzte der Tod ein vorzeitiges Ende.

Kiliani Kiliani

Von 1897-1920 war Heinrich Kiliani (1855-1945) Ordinarius für Medizinische Chemie und leitete die Medizinische Abteilung des Chemischen Laboratoriums. Er war ein Schüler von Emil Fischer in München und hatte sich bereits dort einen Namen durch seine Forschungen über Kohlehydrate gemacht. Unter anderem geht die vielbenutzte Cyanhydrinsynthese, durch die Zucker um eine Kohlenstoffeinheit verlängert werden können, auf ihn zurück. In Freiburg beschäftigte er sich mit den Inhaltsstoffen von Digitalis; bei der Untersuchung des Aglykons dieser Verbindungen entdeckte er zwei Zucker, die Digitoxose und die Digitalose. Zu seinen Schülern gehörte der spätere Nobelpreisträger Adolf Windaus (1876-1959). Kiliani war 1903-04 Dekan der Medizinischen Fakultät. In dieser Phase bereitete er den Weg für die Spezialisierung der Physiologischen Chemie, indem er dem 1903 nach Freiburg gekommenen Franz Knoop - noch vor dessen Habilitation (1904) - den Auftrag für eine Vorlesung in Physiologischer Chemie gab. Der Bereich Physiologische Chemie erhielt durch Beschluss der Medizinischen Fakultät vom 23.4.1915 eigene Räumlichkeiten im alten Botanischen Institut, das 1882 im Bereich der heutigen Physik/Pharmakologie errichtet worden war. Auch sollte das Physiologisch-Chemische Praktikum unabhängig vom dem der Physiologie werden.

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Heinrich Kiliani

 

 

Franz Knoop und der Lehrstuhl für Physiologische Chemie in Freiburg

Georg Franz Knoop (1875-1946) erhielt 1920 den (in Deutschland ersten!) Lehrstuhl für Physiologische Chemie, der der Medizinischen Fakultät zugeordnet wurde. Es war die Geburtstunde des selbständigen Faches Physiologische Chemie in Freiburg!  Physiologie und Physiologische Chemie einigten sich auf die Trennung „als für sich abgegrenzte Lehrgebiete, die sich gegenseitig ergänzen, was bei Berufungen zugrunde zu legen sei“. 1925 wurde Knoop zum Dekan der Medizinischen Fakultät gewählt. knoop1.jpg

(F. Knoop)

   

Knoop hatte bereits 1902 Stoffwechseluntersuchungen mit Phenyl-markierten Fettsäuren begonnen und in den folgenden Jahren in bahnbrechenden Arbeiten das Konzept der ß-Oxidation der Fettsäuren entwickelt. In den späteren Jahren widmete er sich zusätzlich und mit Erfolg dem Mechanismus und der Reversibilität der reduktiven Aminierung von Ketosäuren. Knoop gründete, zusammen mit Dankwart Ackermann, 1942 die „Deutsche Physiologisch-chemische Gesellschaft“ die 1947 in „Gesellschaft für Physiologische Chemie“, 1968 in „Gesellschaft für Biologische Chemie“ und 1995 in „Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie“ umbenannt wurde. Er war lange Zeit Herausgeber von „Hoppe-Seylers Zeitschrift für Physiologische Chemie“, die jetzt unter dem Titel „Biological Chemistry“ erscheint. Sein Schüler Karl Thomas (1883-1969), später Ordinarius für Physiologische Chemie in Leipzig und Frankfurt, charakterisierte Knoop folgendermaßen: „Franz Knoop war Gelehrter im traditionellen Sinne und, obwohl in einem vorwiegend naturwissenschaftlichen Fache erfolgreich, von Haus aus Arzt. Es lag darin etwas Tröstliches für den, der die fortschreitende Emanzipation des Faches von der persönlichen Anlage mit Mißbehagen wahrnimmt. Einem solchen Manne war es noch vergönnt, in seinem Fach Grundlagen zu schaffen“. Hans A. Krebs, der 1953 für die Entdeckung des Citronensäurecyclus den Nobelpreis erhielt, erinnerte sich an Knoop mit weniger Nostalgie aber um so größerer Hochachtung; er schrieb Knoop sein Interesse am Intermediärstoffwechsel der Zelle zu, jenem Gebiet, das sein ganzes wissenschaftliches Leben formte und ihm die größten Erfolge bescherte. Durch Knoop lernte Krebs auch eine praktische Seite des akademischen Forscherlebens kennen: Dessen Werdegang machte ihm deutlich, dass man an einer Universität im allgemeinen nicht für Grundlagenforschung, sondern nur für Unterricht, Selbstverwaltung und ev. Krankenversorgung, bezahlt wurde. Forschung galt als Privileg, dem man sich in seiner  „Freizeit“ und mit eigenen Mitteln in den Einrichtungen der Universität widmen durfte. Die Bedeutung unbezahlter Doktoranden und Hilfskräfte für die Forschungen in dieser Zeit wird hierbei deutlich. Um so mehr sprechen die großen Erfolge, die in jener Zeit gerade die arbeitsintensive Naturforschung an deutschen Universitäten erzielte, für eine große Opferbereitschaft der Wissenschaftler.

Die Zwanziger Jahre waren ein Zeit der Hochblüte der Naturwissenschaften, besonders der biologisch orientierten Disziplinen, in Freiburg. Zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs (1918) und der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten (1933) waren die späteren Nobelpreisträger Heinrich Wieland (1877-1957;  „Struktur der Gallensäuren“), Georg Karl von Hevesy (1885-1966; „Isotope als Indikatoren des Stoffwechsels“), Hermann Staudinger (1881-1965; „Makromolekulare Chemie“), Hans Spemann (1869-1941; „Organisatoren der Embryonalentwicklung“) und Hans Adolf Krebs (1900-1981;  „Harnstoffzyklus“), sowie - in der von Ludwig Aschoff im Pathologischen Institut eingerichteten Pathobiochemie -  Rudolf Schönheimer 1898-1941;  „der dynamische Zustand der Körperbestandteile“) tätig.

Knoop versuchte - trotz Unterstützung durch die Fakultät - vergeblich, die unzulänglichen Räumlichkeiten im alten Botanischen Institut durch einen Neubau zu ersetzen. Frustriert nahm er 1928, im Alter von 53 Jahren, einen Ruf an die Universität Tübingen an. 

 

Josef Kapfhammer

Als Nachfolger Knoops wurde 1928 Josef Kapfhammer (1888-1968) berufen. Er hatte, nach einer Apothekerlehre, ein Chemie- und ein Medizinstudium jeweils mit einer Promotion abgeschlossen und war Habilitand bei Karl Thomas in Leipzig gewesen. Er mußte bei seiner Berufung mit jenen Räumlichkeiten vorlieb nehmen, die Knoop zur Aufgabe gezwungen hatten. Seinem fortwährenden Bemühen um ein neues Institut war kein Erfolg beschieden; lediglich 1929 erhielt er eine Baracke mit 80 Kursplätzen. Es ist nicht ohne Reiz festzustellen, dass auch ein halbes Jahrhundert später die jahrzehntelangen Bemühungen um ein neues Biochemisches Institut im Jahr 1992 durch einen Leichtbau für Kurse und Seminarien  abgespeist wurden (s.u.). 1934 wurde Kapfhammer vom Rektor zum Dekan ernannt; denn im 3. Reich herrschte das Führerprinzip, demokratische Legitimation war verpönt. kapfhammer1.jpg

Josef Kapfhammer

Bei einem Urteil über die eher bescheidene wissenschaftliche Ausbeute dieses Ordinariats (Arbeiten über Guanidinosäuren und -peptide sowie über Prolin  und Hydroxyprolin) muß man die äußerst schwierigen Bedingungen berücksichtigen, unten denen sie erarbeitet wurde: Da war zunächst die unzulängliche Raumsituation im alten Botanischen Institut mit seinen 6 zum Teil winzigen Räumen, die noch 1941 durch das Bezirksbauamt für abbruchreif erklärt wurden; sodann die unzureichende Ausstattung mit nur zwei Mitarbeiterstellen; dazu die Probleme der NS-Zeit und zuletzt die Einschränkungen, die durch den 2.Weltkrieg bedingt waren. Schließlich wurde das Institut am 27. November 1944 bei einem alliierten Bombenangriff total zerstört. Die Behelfslösungen nach dem Krieg (provisorische Unterbringung in einigen Räumen der Hautklinik, des Tierhygienischen Instituts und zuletzt der Chirurgischen Klinik) waren kaum geeignet, moderne Forschung zu etablieren. Kapfhammer war immerhin noch an der Planung des Neubaus für die Physiologie und Physiologische Chemie (Hermann-Herder-Straße 7) beteiligt.

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Das Institut vor der Zerstörung Das Institut nach der Zerstörung

 

Seine Bereitschaft zu Engagement für die Medizin bewies Kapfhammer durch seine gemeinsam mit dem Anatomen v. Möllendorff initiierte Schule für Medizinisch-Technische Assistentinnen (deren Leiter er in den Jahren 1935/36 war) und seinen langjährigen Einsatz in den Diensten des Roten Kreuzes.  

 

Helmut Holzer

Die Emeritierung Kapfhammers im Jahre 1956 verlief, nicht zuletzt infolge von Protesten der Studentenschaft, nicht so harmonisch, wie er es verdient hätte. Die Medizinische Fakultät bemühte sich, so rasch wie möglich Ersatz zu schaffen und berief den jungen Dozenten Helmut Holzer (1921-1997) aus Hamburg als kommissarischen Lehrstuhlvertreter. Dieser bewährte sich innerhalb weniger Monate so deutlich, dass die Fakultät ihn als Nachfolger Kapfhammers und Direktor des (neu errichteten) Instituts für Physiologische Chemie berief. 1957 erfolgte die formale Bestallung. Holzer konnte noch den endgültigen Ausbau des neuen Instituts beeinflussen, das für damalige Verhältnisse großzügig und modern geplant war. Mit dem Lynen-Schüler Holzer begann die Ära einer modernen und sehr erfolgreichen Biochemie in Freiburg. Holzer gestaltete mit seinem beträchtlich vergrößerten  Mitarbeiterstab Vorlesung und Praktikum völlig neu. Mit seinen Forschungen über den Mechanismus thiaminpyrophosphat-katalysierter Reaktionen und seinen Untersuchungen über den Stoffwechsel von Tumorzellen erwarb er sich und dem Institut in wenigen Jahren weltweites Ansehen. holzer1.jpg
Helmut Holzer
   

Dem internationalen Brauch folgend, wurde das Institut (und der Lehrstuhl) 1963 umbenannt in „Biochemisches Institut“. 1964 wurde Holzer - erstmals ein Nicht-Mediziner! - zum Dekan der Medizinischen Fakultät gewählt. Er konnte auch, dank seiner Rufe der TU München und der Max-Planck-Gesellschaft, seinen Plan eines zweiten Ordinariats für Biochemie realisieren.

 

Karl Decker

1968 wurde Karl Decker, der sich auf einer Gastprofessur in USA befand, auf diesen Lehrstuhl berufen. Auch Decker war Lynen-Schüler  und seit 1960 als Dozent und Wissenschaftlicher Rat am Institut tätig gewesen. Nach Ablehnung gleichzeitiger Rufe nach Erlangen und Göttingen übernahm er den Lehrstuhl Biochemie II im ersten Obergeschoss des Instituts. Gleichzeitig wurde die Departmentstruktur des Instituts verwirklicht, die auch jetzt noch - im Jahr 2002 - gültig ist. Die Geschäftführung des Gesamtinstituts wechselte in zweijährigem Turnus zwischen den Ordinarien.

 

Ordentliche Professoren
(H4 bzw. C4)
  Wissenschaftliche Räte (H3)
und Professoren (C3)*
 
       
Knoop, Franz () 1920-28 Decker Karl 1963 - 68
Kapfhammer Josef () 1928-56 Holldorf August 1968 - 73
Holzer Helmut () 1957-89 Mecke Dieter 1973 - 74
Decker Karl 1968-93 Jungermann Kurt  1977 - 79
Pfanner Nikolaus 1992- Ullrich  Johannes 1978 - 96
Baeuerle Patrick 1993-96 Keppler Dietrich 1979 - 87
Bukau Bernd 1997-2002 Tropschug Maximilian 1991 -
    Müller Matthias  1996 -

 

* Berufungen auf C4-Professuren:  Holldorf - Bochum, Mecke - Tübingen,
   Jungermann - Göttingen, Keppler - Heidelberg (DKFZ)

Tabelle 1                                  Professoren und Dozenten am Institut

 

Der wachsenden Bedeutung des Faches entsprach es, dass in Freiburg, außer den beiden Lehrstühlen am Biochemischen Institut,  Biochemie auch im Chemischen Laboratorium und im Institut für Biologie II vertreten war. Kurt Wallenfels (1910-1995) stand ab 1953 als Extraordinarius, von 1961 bis 1978 als Ordinarius der Abteilung Biochemie des Chemischen Laboratoriums vor. Sein Nachfolger im Institut für Organische und Biochemie wurde 1983 Georg Schulz (*1939). Hans Grisebach (1926-1990) wurde 1964 Ordinarius und erhielt am neu errichteten Institut für Biologie II einen Lehrstuhl „Biochemie der Pflanzen“. Sein Nachfolger ist seit 1992 Wolfgang Haehnel.  

Die tiefgreifenden Veränderungen und Wirren der Jahre 1968-70 überstand das Institut ohne nennenswerten Schaden. Holzer war allerdings als Mitglied der Grundordnungskommission erheblichem persönlichem Druck von verschiedenen Seiten ausgesetzt. Die Medizinische Fakultät wurde durch die neue Grundordnung der Universität in eine theoretische (I) und eine klinische (II) Fakultät gespalten. Ein „Gemeinsamer Ausschuss“ sorgte für den Erhalt der Gemeinsamkeit. Decker wurde 1970/71 zum Dekan der Medizinischen Fakultät I gewählt. 1974 wurde schließlich dem Antrag der beiden Fakultäten auf Wiedervereinigung stattgegeben. Von 1972-77 war Decker Prorektor für Forschung.  

Bei der Einwerbung von Drittmitteln für die Forschung war das Institut stets sehr erfolgreich. Neben zahlreichen Einzelprojekten waren die meisten Forschungsgruppen des Instituts an Sonderforschungsbereichen (SFB) (Tab. 2) und Forschergruppen mit längerfristigen Förderperioden beteiligt. Das Instrument SFB wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) 1969 inauguriert. Gemeinsam mit Arbeitgruppen der Biologischen Institute wurde der SFB 46 „Molekulare Grundlagen der Entwicklung“ [„Molgrudent“] als erster in Freiburg beantragt und von der DFG bewilligt.

 

SFB 46 „Molekulare Grundlagen der Entwicklung“ 1969 - 82
SFB 154 „Klinische und experimentelle Hepatologie“ 1983 - 94
SFB 206 „Biologische Signalreaktionsketten“ 1983 - 94
SFB 364 „Molekulare und zelluläre Grundlagen der Tumortherapie“ 1993 - 02
SFB 388 „Zelluläre Funktionen dynamischer Proteinwechselwirkungen“ 1995 -

 

Forschergruppe  „Hepatologie“ 1973 - 83
Makrophagenprojekt 1977 -  81
Verbundforschungsprojekt „Tumorentwicklung und Tumorabwehr“ 1988 - 94
Graduiertenkolleg „Biochemie der Enzyme“ 1999 -

Tabelle 2   Sonderforschungsbereiche (SFB) und andere institutionalisierte Förderinstrumente mit Beteiligung des Instituts

 

Die wissenschaftliche Produktivität und die Attraktivität des Instituts in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden ihren sichtbaren Niederschlag in der Zahl der Publikationen (> 1400), der erstellten Dissertationen (soweit noch feststellbar 302, davon 58 % Dr. med., 42 % Dr. rer. nat., betreut von 28 „Doktorvätern“), Habilitationen (Tab. 3) und nicht zuletzt der großen Zahl ausländischer Gastwissenschaftler (Tab. 4). Bei den akademischen Mitarbeitern wurden Selbständigkeit und solides Fachwissen gezielt gefördert. Lange Zeit war für jeden eine mindestens einmalige Teilnahme an der Hauptvorlesung und besonders der Besuch aller Institutskolloquien obligatorisch. Die jungen Wissenschaftler sollten nicht nur auf ihrem unmittelbaren Arbeitsgebiet Kenntnis des aktuellen Standes der Forschung erwerben.

 

Kröger Hans
Goedde Heinz-Werner (kreuz.gif)
Holldorf August
Witt Irene ()
Mecke Dieter
Schreiber Gerhard
Grunicke Hans
Ullrich Johannes
Duntze Wolfgang
Jungermann Kurt (kreuz.gif)
Thauer Rolf
Keppler Dietrich
Reutter Werner
Barth Christian
Puschendorf Bernd
Heinrich Peter
Ebner Eberhard
Betz Heinrich
1963
1963
1968
1968
1969
1970
1970
1970
1970
1971
1971
1971
1972
1973
1973
1974
1975
1977
Wolf Dieter
Möhler Hanns
Afting Ernst-Günter
Katz Norbert
Bauer Christian
Matern Heidrun
Bünning Peter
Brandsch Roderich

Müller Matthias

Dieter Peter
Northemann Wolfgang (kreuz.gif)
Kaltschmidt Christian
Pahl Heike
Schmitz Lienhard
Rassow Joachim
Voos Wolfgang
Mayer Matthias
1978
1978
1978
1979
1979
1981
1982
1987
1987
1991
1992
1997
1997
1998
1998
2002
2002

Tabelle 3                   Habilitationen seit dem Wiederaufbau des Instituts

 

Land Zahl Land Zahl
       
Afghanistan   1 Litauen   2
Australien   4 Marokko   1
Chile   1 Neuseeland   1
China   1 Niederlande   3
Dänemark   1 Nigeria   1
Finnland   2 Polen   1
Frankreich   1 Rumänien   2
Großbritannien   3 Russland (USSR)   2
Indien   3 Schweden   1
Iran   1 Spanien  10
Italien   8 Süd-Korea   1
Israel   1 Ukraine   1
Japan 16 USA 20
Jugoslawien   4 Venezuela   1
Kroatien   1 Vietnam   2
       
Summe     100

Tabelle 4               Ausländische Gastwissenschaftler seit dem Wiederaufbau des Instituts

 

In den beiden Jahrzehnten nach 1970 vollzog sich ein Wandel der Forschungsrichtungen. Waren bis dahin Chemie und Regulation enzymatischer Prozesse zentrale Anliegen, so gewannen in dieser Phase Zell- und Molekularbiologie, sowohl in thematischer als auch in methodischer Hinsicht, die Oberhand. Dem entspricht auch die Beobachtung, dass die Anzahl der Dissertation für den Dr. rer.nat. im Vergleich mit jenen für den Dr.med. stetig zunahm. Die  Siebzigerjahre sahen auch die Entwicklung vielfältiger und enger Kooperationen mit klinischen Forschern, besonders solchen der Medizinischen Klinik. Neben den SFBs und einer Forschergruppe „Hepatologie“ (Tab. 2) ist das von 1977-1981 durch die Volkswagen-Stiftung großzügig geförderte „Makrophagen-Projekt“ zu nennen, an dem sich das Institut (Karl Decker) zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Immunbiologie, Freiburg, (Otto Westphal) und dem Institute of Molecular Pathology, Brüssel (Christian DeDuve) beteiligte. Ein interessanter Versuch einer Kooperation zwischen theoretischen und klinischen Arbeitsgruppen der Universität, dem Max-Planck-Institut für Immunbiologie und der Fa. Goedecke, Freiburg, war das vom  Bundesministerium für Forschung und Technologie geförderte Verbundforschungsprojekt „Tumorerkennung und Tumorabwehr“, dessen Sprecher Karl Decker von 1988 bis 1993 war. 

Nach 32 Jahren einer äußerst fruchtbaren Tätigkeit, die neben vielen anderen Ehrungen durch den Dr.h.c. der Universität von Tokushima (Japan) und durch das Bundesverdienstkreuz I. Klasse gewürdigt wurde, trat Helmut Holzer 1989 in den Status des Professor Emeritus über. Da sich seine Nachfolge unerwartet lange hinzog, konnte er seine wissenschaftliche Tätigkeit bis 1991 in seinen Laboratorien, danach in einem kleinen Labor im 5.Obergeschoss des Instituts in bescheidenerem Umfang bis zu seinem Tod im Jahr 1997 fortsetzen.

Im Jahr 1991 erwies es sich jedoch als nötig, eine kommissarische Vertretung des Lehrstuhls einzusetzen. In Bernd Wiederanders aus Halle/Saale wurde ein in Forschung und Lehre engagierter Kollege gefunden, dessen einjähriger Einsatz die Kontinuität der wichtigsten Funktionen des Lehrstuhls sicherte.

 

Nikolaus Pfanner

1992 nahm Nikolaus Pfanner (*1956) aus München - nach Ablehnung von Angeboten aus Marburg, Homburg und Berlin - den an ihn ergangenen Ruf an und wurde Nachfolger Holzers. Es gelang ihm rasch, den Lehrstuhl mit neuen Ideen und großer Dynamik zu erfüllen. 1993 übernahm er  die Geschäftsführung des Instituts. Seiner Initiative war die Gründung des SFB 388 im Jahr 1995 zu verdanken, dessen Sprecher er von Anfang an war. Die im internationalen Vergleich  hohe Qualität der Forschung in Biochemie und molekularer Zellbiologie zeigte sich in Publikationen in den führenden Zeitschriften, wie Nature und Cell

 Dem jahrelangen Drängen des Physiologischen und des Biochemischen Instituts nach einer Verbesserung und Modernisierung der Raumsituation wurde zwar nicht durch einen Institutsneubau, aber immerhin durch ein einstöckiges Gebäude für die Unterrichtszwecke beider Institute entsprochen. 1992 konnte das Lehrgebäude seiner Bestimmung übergeben werden. Der Kurssaal im Institutsgebäude wurden daraufhin zu Laboratorien und Spezialräumen (z.B. Isotopenlabor) umgebaut.

 

Partick Baeuerle

1993 endete die aktive Dienstzeit Deckers, der als Emeritus zunächst ein Labor im Keller, später im 5.Obergeschoss zur Verfügung hatte. Die Nachfolge konnte überraschend schnell geregelt werden. Ähnlich wie bei der Nachfolge Holzers bewarben sich mehr als 130 Kollegen um den Lehrstuhl Biochemie II.

Bereits im WS 1993/94 amtierte Patrick Baeuerle (*1957) als Ordinarius im 1.Obergeschoss. Durch die beiden Berufungen gelang es, die finanzielle und apparative Ausstattung des Instituts deutlich zu verbessern. Der inhaltlichen Erweiterung des Faches Biochemie sollte auch eine Namensänderung des Instituts Rechnung tragen. Im Jahr 1995 genehmigte das Ministerium die Benennung „Institut für Biochemie und Molekularbiologie“. Dieses Jahr wartete aber noch mit einer unerfreulichen Überraschung auf: Kaum hatte Baeuerle seine Laboratorien im 1.Obergeschoss mit neuen Mitarbeitern aufgefüllt, erhielt er im Sommer 1995 ein verlockendes Angebot der Biotech-Firma Tularik und siedelte schon wenige Monate später nach San Francisco über. Am Anfang des Jahres 1996 war der Lehrstuhl vakant, aber das Labor mit seinen Mitarbeitern voll. In dieser Situation bat die Fakultät Karl Decker, seinen früheren Lehrstuhl wieder kommissarisch zu übernehmen. Decker sagte zu, für höchstens 1 Jahr einzuspringen. Neben den Unterrichtsverpflichtungen war vor allem die Zukunft der zurückgelassenen Mitarbeiter zu gestalten. Mit Glück und viel gutem Willen bei allen Beteiligten gelang es binnen Jahresfrist, alle auf akzeptable Positionen zu vermitteln und das Labor für den Nachfolger frei zu machen. Fakultät, Rektorat und das Wissenschaftsministerium taten das ihre, um die Wiederbesetzung des Lehrstuhls rasch zu verwirklichen.

 

Bernd Bukau

Ein Jahr nach dem Ausscheiden Baeuerles, im März 1997, konnte Bernd Bukau (*1954) aus Heidelberg - nach Ablehnung eines Angebotes aus Köln - das Amt des Nachfolgers antreten. Die günstige finanzielle Situation, die durch die erfolgreichen SFBs und den Gottlieb-von-Leibniz-Preis an Bernd Bukau 1999 unterstrichen wurde, förderten das Florieren der wissenschaftlichen Aktivitäten des Instituts in der Forschung, aber auch in der Lehre. 

Sowohl im bundesweiten Vergleich der Physikumsleistung als auch in der Beurteilung der Studenten schnitt die Biochemie an der Medizinischen Fakultät Freiburg hervorragend ab, wobei das große Engagement von Matthias Müller, der ab 1996 als Nachfolger von Johannes Ullrich auf eine C3-Professur berufen wurde, besonders zu betonen ist. Nikolaus Pfanner wurde in der Lehrevaluation der Medizinischen Fakultät mehrmals zum besten Dozenten der Vorklinik gewählt, aber auch Matthias Müller und Bernd Bukau erhielten sehr gute Bewertungen.

Gute Kunde kam auch aus dem Ministerium: endlich wurde ein Institutsneubau bewilligt und der erste von drei Bauabschnitten in die Finanzplanung aufgenommen. Dadurch gewannen auch die Pläne mehrerer Institute Substanz, die sich zu einem „Zentrum Biochemie und Molekulare Zellforschung“ zusammenschließen wollten. Der Neubau soll neben dem Institut für Biochemie und Molekularbiologie auch das Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung beherbergen. Die Grundsteinlegung für diesen Komplex, dem geplanten „Zentrum für Biochemie und Molekulare Zellforschung“ fand im Jahr 2001 statt. Ein Schönheitsfehler, der gravierende Folgen haben sollte, bestand in der Zurückstellung der Finanzierung des dritten Bauabschnitts, der für die Funktionen der Biochemie unerlässlich ist. Da ein Termin für die Fertigstellung des Neubaus und der Übernahme durch die Biochemie nicht zu erhalten war, entschloss sich Bernd Bukau, einem Ruf an die Universität Heidelberg zu folgen und noch 2002 den Lehrstuhl im Institut aufzugeben. Innerhalb eines Jahrzehnts hat so die Leitung des Lehrstuhls viermal gewechselt. 

Mit tatkräftiger Unterstützung durch die Medizinische Fakultät, das Klinikum und die Universitätsleitung kann 2002 jedoch eine personelle Neustrukturierung des Instituts - auch im Hinblick auf das Hochschulrahmengesetz von 2002 - in Angriff genommen werden. Interessanterweise bildet dabei die vor mehr als drei Jahrzehnten eingeführte Departmentstruktur eine hervorragende und weiterhin moderne Grundlage.

Schwierig war zunächst auch die Wiederbesetzung des Institutssekretariats: nach Regina Wilke, die diese wichtige Funktion 37 Jahre lang mit großem Engagement, hoher Kompetenz und feiner Kollegialität ausgefüllt hatte, blieb ihre Nachfolgerin kaum 1 Jahr im Institut; mit den Chancen in der freien Wirtschaft  konnte die Universität nicht konkurrieren. Mit Ingeborg Friesse gelang es nun jedoch, eine tatkräftige und engagierte Nachfolgerin zu finden.

Ohne Zweifel wird aber die Neustrukturierung des Instituts  weiteren Erfolg und ungebrochene Dynamik gewährleisten. 

 

Quellen

August Holldorf: Historische Entwicklung des Faches „Physiologische Chemie“ in Freiburg und seine Lehrer“ (unveröffentlicht).
Eduard Seidler: Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Springer Verlag 1991.
Karl Decker A Life-long Quest for Biochemical Regulation (Helmut Holzer, 1921-1997). In: Comprehensive Biochemistry, Vol. 41, Selected Topics in the  History of Biochemistry, Personal Recollections VI (Semenza, G., Jaenicke, R.,eds), pp.531-561 , Elsevier Science, Amsterdam, 2000.
Karl Decker: A German Biochemist in the Twentieth Century. In: Comprehensive  Biochemistry, Vol. 41,  Selected Topics in the  History of Biochemistry, Personal Recollections VI (Semenza, G., Jaenicke, R.,eds), pp. 563-633, Elsevier Science, Amsterdam, 2000.

 

Letzte Aktualisierung 10.05.12